Dass Menschen nicht kooperieren wollen oder können, ist eine Mär. Denn im Privatleben tun sie es sehr wohl. In Unternehmen allerdings sieht die Sache anders aus. Denn Kooperation lohnt sich hier oft einfach nicht. Fünf Fragen, die helfen, Kooperationskillern im System auf die Spur zu kommen.
1. Was ist attraktiver, als zu kooperieren?
Wer möchte, dass Mitarbeiter kooperieren, darf keine Bedingungen im Unternehmen schaffen, die Kooperation unattraktiv machen. Genau das ist aber oft der Fall. Etwa, wenn in einer Organisation Kennzahlen- und Zielsysteme existieren. Sobald Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Tun nicht mehr von der Dynamik des Marktes gesteuert werden, sondern über interne Ziele – die möglicherweise mit Boni verknüpft sind – liegt es vor allem in ihrem Interesse, diese Ziele zu erfüllen, nicht den Markt bestmöglich zu bedienen und Kundenprobleme zu lösen. Damit fällt ein wesentlicher Anreiz für kooperatives Handeln weg.
Ähnlich wirken Systeme der Zeiterfassung, in deren Rahmen Arbeitszeit „verursachungsgerecht“ verbucht, also bestimmten Projekten zugerechnet wird. Wer einem Kollegen hilft, dann aber die Zeit nicht entsprechend verbuchen kann, steht dumm da – weil es den Anschein hat, er sei unproduktiv.
2. Was kann Mitarbeitenden drohen, wenn sie kooperationsfreudig sind?
Zielvereinbarungen und Co. (siehe Punkt eins) bereiten Mitarbeitenden bereits das Problem, dass es sich für sie nicht wirklich lohnt, zu kooperieren. Verschärft werden kann das Problem dadurch, dass es regelrecht gefährlich ist, seinen eigenen Verantwortungsbereich zu überschreiten und beispielsweise einer Kollegin bei einem Projekt unter die Arme zu greifen, das aus der eigenen Stellenbeschreibung herausfällt. Das Festkleben an Stellenbeschreibungen ist deswegen ein Kooperationskiller.
Aber selbst die Einführung neuer moderner Methoden wie Scrum kann zum Problem für die Zusammenarbeit werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn man allzu sehr an der Methode und damit auch den darin vorgesehenen Rollen klebt. Wenn nur ein Scrum Master machen darf, was laut Rollenbeschreibung ein Scrum Master machen darf, dann werden viele Mitarbeitende nicht das Risiko eingehen, ihren Kompetenzbereich zu überschreiten, um sich dort kooperativ einzubringen, wo es sinnvoll wäre.
3. Was lässt Kooperation unnötig erscheinen?
Viele Unternehmen verstehen Talententwicklung als einen Prozess, in dem Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Potenzial durch eine Reihe von Schulungen geschleust werden. Menschen, deren Wachstums- und Entwicklungsbedürfnis auf diese Art adressiert wird, werden überhaupt keine Notwendigkeit darin sehen, mit anderen zu kooperieren.
Ganz anders ist das, wenn Mitarbeiter an ihren Aufgaben im Arbeitsalltag wachsen können. Dann stellen sich ihnen in der Regel Herausforderungen, die die Zusammenarbeit mit anderen automatisch nahelegen. Man arbeitet sich, gemeinsam lernend, voran. Abgesehen davon wirkt sich auch mangelnde Sinnhaftigkeit desaströs auf den Willen zur Kooperation aus. Wieso gemeinsame Anstrengungen unternehmen, wenn einen der Zweck kaltlässt?
4. Was führt zu gespielter Kooperation?
Wo Menschen ständig darauf achten müssen, welchen Eindruck sie auch hinsichtlich ihrer „weichen Kompetenzen“ bei Führungskräften, Mitarbeitern und Kollegen hinterlassen, wo jede Entscheidung, jedes Verhalten, jede Mitteilung zu einer schlechteren Beurteilung führen kann, dort wird das eigene Verhalten maßgeblich durch diesen Zwang zum Eindrucksmanagement beeinflusst – und nicht immer in eine Richtung, die für das Unternehmen letztlich wirklich positiv ist.
In puncto Zusammenarbeit bedeutet dies zum Beispiel, dass die Kooperationsbereitschaft ungleich verteilt wird: Der Abteilungsleiterin hilft man gern, dem Kollegen, der es aber vielleicht viel nötiger hätte, dagegen nicht. Manchmal wird Kooperation regelrecht inszeniert, wenn man glaubt, damit Eindruck zu gewinnen. Das schürt Misstrauen und lässt die Bereitschaft zu echter, sinnhafter Kooperation einmal mehr sinken.
5. Was macht Kooperation zur Last?
Menschen, die überlastet sind und sich im Dauerstress befinden, sind froh, wenn sie ihre eigenen unmittelbaren Aufgaben irgendwie bewältigt bekommen. Aber sie haben keine Zeit und Energie, kooperativ zu sein. Um zu verhindern, dass eine Organisation in solch eine Lage gerät, muss sie sich manchmal in Verzicht üben. Etwa – auch wenn es noch so lukrativ erscheint – auf das nächste Projekt verzichten. Oder die eigene Strategie von vornherein enger ziehen, um sich nicht zu verzetteln.
Photo by Antonio Janeski on Unsplash
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