Per Nudging gewünschtes Verhalten fördern

 

Nudging ist eine Strategie der Verhaltensänderung, bei der Menschen ein kleiner Schubs (englisch: Nudge) in eine bestimmte Richtung gegeben wird. Eine einfache Orientierungshilfe, wie das funktionieren kann, bietet das sogenannte EAST-Framework, das vom britischen Behavioural Insights Team (BIT), bestehend aus Psychologen und Verhaltensökonomen, entwickelt wurde.

 

Das EAST-Motto lautet: Wer ein bestimmtes Verhalten fördern möchte, gestalte es einfach (easy), attraktiv (attractive), sozial (social) und zeitgemäß (timely).

 

Easy

 

Der erste Ansatzpunkt ist die Reduzierung des Aufwandes, der nötig ist, um das gewünschte Verhalten zu zeigen. Ein typischer Weg dazu im Nudging: Die erwünschte Handlungsoption wird zum Standard gemacht, andere Optionen müssen dagegen aktiv gewählt werden. Wenn in den Druckmenüs im Unternehmen „beidseitiges Drucken“ als Standard eingestellt wird, reduziert sich der Papierverbrauch sofort. Das „Easy“ bezieht sich zudem auf die Formulierung von Botschaften, mit denen zum gewünschten Verhalten aufgerufen wird.

 

In Sachen Response-Rate sind einfache, klare Botschaften komplizierten eindeutig überlegen. Eine in diesem Sinne gute Nudging-Botschaft, präsentiert auf einem Plakat in der Kantine, könnte etwa lauten: „Gesund essen – fit weiterarbeiten.“

 

Attractive

 

Wenn das Kantinenschild zudem noch mit einem Bild eines leckeren Salates garniert ist und unmittelbar über der Essensausgabe hängt, ist dessen Wirkung wahrscheinlich noch größer. Die einfache Regel: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir etwas tun, steigt, je mehr unsere Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird. Und eine gute, attraktive Präsentation zieht Aufmerksamkeit automatisch an.

 

Zur „Attraktion“ kann dabei mit Farben, Bildern, Personalisierungen oder auch Anreizsystemen gearbeitet werden. Schon kleine, eher symbolische finanzielle Anreize sind oft sehr attraktiv. Größere finanzielle Anreize widersprechen dagegen den Grundgedanken des Nudgings und werden im Rahmen dieser Strategie nicht genutzt.

 

Social

 

Der vielleicht stärkste Hebel, um Menschen dazu anzustoßen, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen: demonstrieren oder mitteilen, dass die Mehrheit dieses Verhalten bereits zeigt. Denn Menschen neigen stark dazu, dem Vorbild der Gruppe zu folgen.

 

Ein Hinweis, dass bereits 72 Prozent der Organisationsmitglieder dieses Jahr mindestens eine Weiterbildung absolviert haben, motiviert die übrigen, nachzuziehen. Zudem empfehlenswert:

Netzwerke und Peer-toPeer-Kontakte fördern, um kollektives Handeln und gegenseitige Unterstützung zu ermöglichen. Die Menschen, mit denen wir in Kontakt kommen, prägen unser Handeln so stark wie niemand anderes sonst.

 

Timely

 

Ein Faktor, der nicht bei allen Formen des Nudgings berücksichtigt werden kann, der aber zumindest im Hinterkopf behalten werden sollte, ist der Zeitpunkt. Es geht darum, zu erkennen, wann Menschen ihre Entscheidungen treffen und damit am empfänglichsten für Verhaltensänderungen sind.

 

Der gleiche Verhaltensanstupser kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine deutlich stärkere oder schwächere Wirkung besitzen. Ein per se guter Zeitpunkt fürs Nudging ist, wenn sich die Zielpersonen außerhalb ihrer Gewohnheiten und Routinen befinden, also etwa gerade erst im Unternehmen angefangen haben.

 

 

Photo by Count Chris on Unsplash

 


Nudging in a Nutshell

 

Was bedeutet Nudging?

 

Als Nudging wird die Anwendung von Maßnahmen zur Beeinflussung der Entscheidungsfindung einer Person bezeichnet. Womit dabei auch und vor allem die Entscheidung gemeint ist, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen oder nicht. Die zentrale Frage bei der Entwicklung respektive Anwendung eines Nudges (engl. Stups oder kleiner Schubs) lautet: Wie kann der Optionenraum (die Architektur der Entscheidung) so ausgestaltet werden, dass die beste Entscheidung getroffen wird?

 

Als „beste Entscheidung“ wird dabei diejenige verstanden, die Menschen wählen würden, wenn sie über alle relevanten Informationen verfügen, langfristig denken und handeln sowie keinerlei kognitiven Verzerrungen unterliegen würden. Ein Nudge darf zudem die Entscheidungsoptionen nicht einschränken, die Wahlfreiheit muss aufrechterhalten bleiben. Auf größere finanzielle Anreize wird beim Nudging verzichtet.

 

Wer hat‘s erfunden?

 

Der Begriff „Nudge“ wurde durch den Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und den Rechtswissenschaftler Cass Sunstein geprägt. In ihrem Buch „Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness“ (deutscher Titel „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“) aus dem Jahr 2008 gehen sie der Frage nach, wie Menschen zu vernünftigem Verhalten angeregt werden können. Ausgangspunkt des Buches war Thalers Beobachtung, dass sich seine Kolleginnen und Kollegen, die selbst auf Fachtagungen und in ihren Vorlesungen das Bild des Homo oeconomicus predigten, vielfach irrational verhielten.

 

Welche Formen gibt es?

 

Grundsätzlich werden vier Arten von Nudges nach deren Gestaltung und Wirkweise unterschieden, wobei die „Artenteilung“ nicht strikt ist. Ein Nudge kann auch verschiedenen Kategorien angehören. Diese lauten:  

  1. Reframe: Informationen oder Optionen werden anders dargeboten, etwa besonders sichtbar gemacht. Beispiel: Der Obstkorb wird in der Kantine auf Augenhöhe präsentiert, für die Süßigkeiten muss man sich dagegen tief bücken. 
  2. Redesign: Grundsätzliche Einstellungen, Optionen und Konsequenzen werden verändert. Beispiel: Verkäuferinen und Verkäufer erhalten nicht mehr einen Bonus für erfolgreiche Abschlüsse, sondern starten mit dem maximalen Bonus, den es durch erfolgreichen Vertrieb zu verteidigen gilt. 
  3. Relieve: Relieve-Techniken erleichtern die Annahme einer Option. Beispiel: Standardmäßig wird im Druckmenü „beidseitiges Drucken“ eingestellt. 
  4. Remind: Es wird an ein bestimmtes (wünschenswertes) Verhalten erinnert. Beispiel: Eine Infomail, dass sich bereits sieben von zehn Teams zum internen Innovationswettbewerb angemeldet haben.

Was sind Coporate Nudges im erweiterten Sinne?

 

Als Corporate Nudges im erweiterten Sinne können alle Maßnahmen in Unternehmen bezeichnet werden, die aufgrund identifizierter Bias darauf abzielen, Denkanstöße in eine gewünschte Richtung zu geben, ohne Zwang auszuüben.

 

Ist Nudging ethisch fragwürdig?

 

Da Nudges unterschwellig wirken, ist es nachzuvollziehen, dass sie mitunter kritisch gesehen werden. Manche sehen in Nudging gar eine Form der Manipulation. Dieser Vorwurf ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite gilt es jedoch zu bedenken, dass Nudges konsequent auf das Grundprinzip der Eigenverantwortung setzen. Niemand wird zu etwas gezwungen, Nudges lassen immer die Wahl, sie regen nur an. Und (Verhaltens-)Entscheidungen lassen sich nur anregen, wenn eine generelle Bereitschaft besteht, das eigene Verhalten zu reflektieren und zu verändern. So gesehen werden mit Nudges keine Türen aufgebrochen, sondern eher offene Türen eingerannt.