Heilige Kühe schlachten

 

Wandel finden viele Führungskräfte wunderbar. „Agil arbeiten – warum nicht?“ heißt es schnell. Aber dass man auch an elementaren Strukturen im Unternehmen etwas ändern müsste, damit Change erfolgreich verläuft, wird ignoriert. Stattdessen gibt es in den meisten Unternehmen viele „heilige Kühe“, die niemand antastet, auch wenn es dringend nötig wäre. Vier Tipps, um entsprechende Hemmschwellen zu überwinden.

 

1. Bewusstsein entwickeln

 

Viele Change-Vorhaben in Richtung moderner, agiler Arbeitsweisen scheitern. Das tun sie auch deswegen, weil Unternehmen bzw. deren Führungsriegen nicht bereit sind, essenzielle Veränderungen an der Organisationsstruktur und grundlegenden Prozessen vorzunehmen. Ob es komplizierte Entscheidungsverfahren über zig Hierarchieebenen sind, Regeln, deren Sinn niemand mehr versteht, oder die veralteten Lieblingsprodukte des Chefs, die keiner aus dem Portfolio zu streichen wagt: Überall gibt es in Organisationen Gegebenheiten, die sakrosankt sind.

 

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass es in den meisten Organisationen solche heiligen Kühe gibt, die, wenn sie weiterhin als unantastbar gelten, einem erfolgreichen Wandel entgegenstehen. Etwa Silostrukturen, die die gewünschte enge Zusammenarbeit und den Kommunikationsfluss behindern. Oder Karrieresysteme, die Konkurrenz statt Kooperation fördern. 

 

2. Befürchtungen abbauen

 

Heilige Kühe sind auch deswegen heilige Kühe, weil mit ihnen Gefühle verknüpft sind: Was ist mit der eigenen Machtposition, wenn die hierarchischen Verhältnisse im Unternehmen verändert werden? Was wird aus meiner Karriere, wenn es nicht mehr die üblichen Karriereschritte und Chefposten gibt? Wer verhindern will, dass im Unternehmen heilige Kühe (das Karrieresystem, die Hierarchieverhältnisse …) gehegt und gepflegt werden, muss wissen, dass Menschen auch aufgrund (allgemein menschlicher) kognitiver Verzerrungen lieber beim Status quo bleiben. So halten Menschen gern einfach deshalb an alten Vorgehensweisen fest, weil sie damit früher erfolgreich waren. Oder sie schätzen das, was sie haben, aus Sicherheitsgründen höher ein, als das, was sie bekommen könnten.

 

Die mit Emotionen (häufig Angst) verbundenen kognitiven Blockaden tragen insofern dazu bei, dass essenzielle Themen in organisationalen Wandelprozessen gern umschifft werden. Wichtig ist daher, herauszuarbeiten, welche Zugewinne durch weitreichende Veränderungen auch auf individueller Ebene möglich sind. Unter Umständen muss diese Klärungsarbeit auch individuell, im Rahmen von Einzelcoachings, erfolgen.  

 

3. Themen auf den Tisch bringen

 

Um gemeinsam, etwa in einem Führungsteam, ins Reden über heilige Kühe kommen zu können, muss ein sicherer Rahmen geschaffen werden. Eine Möglichkeit: der Diskussionsworkshop „Elephant in the Room“. Hier beantworten die Teilnehmenden zunächst anonymisiert eine Sicherheitsabfrage: Wie offen glauben sie, im gegebenen Rahmen reden zu können? Auf einer Skala vergeben alle unabhängig voneinander und anonymisiert ihre Punkte, bevor die Einschätzungen gesammelt und anschließend besprochen werden.

 

Ausgehend von der zentralen Frage „Wie wollen wir zukünftig gerne zusammenarbeiten?“ nennen die Teilnehmenden dann – ebenfalls in der Regel anonymisiert – Themen, von denen sie den Eindruck haben, dass es sich um „heilige Kühe“ im Unternehmen handeln könnte. Das Genannte wird schließlich gemeinsam diskutiert und priorisiert.

 

4. Sicherheit geben

 

Weil heilige Kühe Gegebenheiten sind, die gerade deswegen in Change-Vorhaben ausgeklammert werden, weil Menschen fürchten, etwas zu verlieren, wenn diese Themen angepackt werden, gilt: Es ist empfehlenswert, anfangs schnell positive Erfahrungswerte zu schaffen. Das heißt, unter den heiligen Kühen, die im Diskussionsworkshop zusammengetragen werden, könnte man zuerst jene in Angriff nehmen, deren Verschwinden offenkundig am meisten nutzt und deren Veränderung für Einzelne eher wenig schmerzhaft ist. In vielen Unternehmen sind dies Themen aus dem Spektrum einer überbordenden Bürokratie.

 

Eine gute Strategie besteht – auch bei sensibleren Themen – immer darin, Veränderungen zunächst nur auf Zeit zu vereinbaren. Beispiel: „Wir testen jetzt einmal ein halbes Jahr lang, wie sich die Lage entwickelt, wenn wir Mitarbeitenden bis zu einem finanziellen Rahmen von XY freie Hand bei operativen Entscheidungen geben, und dann schauen wir, ob wir dabei bleiben oder nicht.“

 

 

Photo by Jonas Koel on Unsplash

 

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